Amoklauf an der Hochschule Hamm-Lippstadt

Aus HammWiki
Zur Navigation springen Zur Suche springen
Hochschule Hamm–Lippstadt

Der Amoklauf an der Hochschule Hamm–Lippstadt (HSHL) ereignete sich am 10. Juni 2022.

Der scheinbar unter Wahnvorstellungen leidende mutmaßliche Täter, Markus R. (34), stach mit zwei Küchenmessern in den Fluren und später in einem Hörsaal auf insgesamt vier Zufallsopfer ein. Eines der Opfer, eine 30-Jährige Lehrbeauftragte der HSHL, verstarb später im Krankenhaus an den Folgen des Angriffs.

Tathergang

Beamte eines Sondereinsatzkommandos durchsuchten nach dem Tathergang den kompletten Campus

Der Amoklauf begann kurz vor 15:30 Uhr in den Gebäuden der HSHL an der Marker Allee. Erste Notrufe gingen gegen 15:29 Uhr bei der Polizei ein. Parallel wurde die Feuerwehr durch Betätigung eines Brandmeldeknopfs zur HSHL gerufen. Bereits drei Minuten später waren erste Polizeibeamte vor Ort.

Markus R. attackierte zunächst eine im Foyer sitzende Frau (22), indem er ihr Hiebe in den Hals und in die Wange versetzte. Dabei befand sich die Schutzhülle noch über dem Messer. Diese nahm der Täter danach ab und verletzte die Frau abermals an der Wange. Im Anschluss griff er einen ebenfalls im Foyer befindlichen Mann (22) an. Dieser konnte der Attacke weitgehend ausweichen, erlitt allerdings eine Schnittwunde am Hals. Anschließend ging R. in Richtung einer Sitzgruppe und stach dort einer weiteren Frau (22) insgesamt achtmal in den Bauch. Schließlich betrat der Amokläufer den Hörsaal „Hamm 2“, in dem gerade eine Veranstaltung im Gange war, und stach einer in der vierten Reihe sitzende Frau (30), die als Lehrbeauftragte der HSHL anwesend war, mehrmals in die Brust. Dabei soll er gesagt haben: „Jetzt bist du dran, jetzt ist aber Schluss.“ Die Dozentin wurde durch den Angriff lebensgefährlich verletzt und mit einem Rettungshubschrauber in die Uniklinik Münster geflogen.[1]

Noch im Hörsaal gelang es dann anwesenden Studenten, den Angreifer bis zum Eintreffen der Polizei festzuhalten.[1] Die Festnahme von Markus R. erfolgte um 15:35 Uhr.[2]

Nach der Tat mussten etwaige Augenzeugen bis in den Abend für Befragungen auf dem Campus verbleiben.[3] Beamte durchsuchten sämtliche Räume des gesamten Gebäudes nach möglichen Komplizen und Spuren. Die Spurensicherung Dortmund unterstützte dabei ihre Hammer Kollegen.[2] Parallel fand eine Betreuung der Opfer durch Notfallseelsorger statt.

Markus R. wurde nach seiner Festnahme in ein psychiatrisches Krankenhaus außerhalb von Hamm gebracht.

Folgen

11. Juni

Auf einer Pressekonferenz der Staatsanwaltschaft Dortmund und der Polizei am Tag nach der Tat wurde mitgeteilt, dass die Überlebenschancen der Lehrbeauftragten sehr gering seien. Am 12. Juni berichtete der Westfälischer Anzeiger unter Berufung auf die ermittelnde Staatsanwältin, Milena Klement, dass die aus Essen stammende 30-Jährige ihren Verletzungen am Nachmittag des 11. Juni in der Uniklinik Münster erlegen war. Bei der Pressekonferenz wurde erstmals von einer Amok-Tat gesprochen.

12. Juni

Der 22-Jährige Student, der dem Angriff teilweise ausweichen konnte, verließ die Klinik bereits wieder zum 13. Juni.[3] Die beiden 22-jährigen Studentinnen befanden sich nicht in Lebensgefahr, jedoch musste eine von ihnen notoperiert und intensivmedizinisch behandelt werden.

13. Juni

Offenbar inspiriert durch den Amoklauf an der HSHL erging nach Berichten des WA am Nachmittag des 13. Juni eine Amokdrohung gegen eine nicht namentlich genannte Hammer Schule. Der männliche Anrufer drohte damit, „Messermänner“ zu schicken und „alle“ umbringen lassen zu wollen. Da niemand mehr in der Schule anwesend war, wurde die Nachricht auf den Anrufbeantworter gesprochen. Die Polizei ergriff vorsorglich Schutzmaßnahmen.[4]

14. Juni

Die an der Wange verletzte 22-jährige Studentin war zum 14. Juni ebenfalls aus dem Krankenhaus entlassen. Die zweite Studentin im selben Alter war mittlerweile von der Intensivstation auf eine normale Station verlegt worden. Der genaue Zeitpunkt ihrer Entlassung aus dem Krankenhaus wurde nicht bekannt.[5]

Beschuldigter

Markus R., der Beschuldigte, ist ein 34-jähriger Student der Wirtschaftspsychologie. Er stammte ursprünglich aus Telgte[3] und lebte zum Zeitpunkt der Tat in einem Studentenwohnheim gegenüber der Hochschule. Er litt nach Aussagen der Staatsanwaltschaft unter Verfolgungswahn. Aus Aussagen des NRW-Innenministeriums geht hervor, dass er glaubte, ein „Clan“ verfolge ihn, höre ihn ab und wolle ihn töten. Auch seine Opfer gehörten seiner Auffassung nach zu diesem „Clan“.[6]

Der Polizei Hamm war er bekannt, da er im April 2022 Anzeige gegen seine Verfolger stellen wollte, wobei sich herausstellte, dass diese Anschuldigungen keine faktische Basis hatten.[2] Er habe selbst erkannt, dass seine Schilderungen „nur schwer nachvollziehbar sind“, und angegeben, in psychotherapeutischer Behandlung wegen Angst- und Zwangsstörungen zu sein.[6]

R. soll zwei Tage vor der Tat versucht haben, sich an einer Mauer am Kopf selbst zu verletzen. Er wurde in die psychiatrische Abteilung des Marienhospitals eingewiesen und nach mehrfacher Untersuchung durch Therapeuten und Ärzte am Tattag regulär entlassen.[7]

Direkt im Anschluss kaufte er offenbar, wie er den Ermittlern selbst zu Protokoll gab, bei Woolworth in der Hammer Innenstadt die späteren Tatwaffen – zwei Küchenmesser.[8] Bei einem Fachhandel für Waffen hatte man ihn hingegen scheinbar kurz zuvor abgewiesen, da man R. für suspekt hielt.[3][8]

Markus R. bekannte sich vor dem Haftrichter zu der Tat.[9] Die Ermittler gehen nach einem psychiatrischen Gutachten davon aus, dass der Student bei der Tat schuldunfähig oder vermindert schuldfähig gewesen ist.

Reaktionen

Anteilnahme der Politik

Die Politik reagierte unmittelbar mit Anteilsbekundungen auf den sozialen Netzwerken:

Oberbürgermeister Marc Herter (SPD) sagte über die Facebook Seite der Stadt Hamm:

„Ich bin erschüttert über den Angriff auf Studierende an der HSHL. Mein großer Dank gilt den mutigen Studentinnen und Studenten, die sich dem Angreifer in den Weg gestellt und somit noch Schlimmeres verhindert haben. Meine Gedanken sind bei den betroffenen jungen Menschen, insbesondere den Schwerverletzten – ich wünsche Ihnen baldige Genessung!“

Bezirksbürgermeisterin Stefanie Baranski (SPD) erklärte auf Ihrer Facebook Seite:

„Ich kann es immer noch nicht glauben, was gestern an der Hochschule passiert ist. Viele Fragen stellen sich. In Gedanken bin ich bei den Verletzten und den Betroffenen. Dankbar für den mutigen Einsatz, sich dem Täter entgegen zu stellen und ihn aufzuhalten. Danke an die Einsatzkräfte für ihren schnellen und unermüdlichen Einsatz.“

Der Kreisvorsitzende der CDU, Arnd Hilwig, sagte:

„Wir sind tief erschüttert über die blutige Gewaltat an unserer Hochschule Hamm–Lippstadt. Unsere Gedanken sind bei den Verletzten, ihren Freunden und Angehörigen und der gesamten Hochschule. Unser besonderer Dank gilt den entschlossenen Eingreifen der Studenten, die Nothilfe leisteten und damit Schlimmeres verhinderten. Wir danken allen Einsatzkräften vor Ort. Wir wünschen den Verletzten gute Genesung.“

Die Grünen in Hamm schrieben auf ihrer Facebook Seite:

„Wir sind tief bestürzt über die Nachricht vom Tod der am Freitag bei einer Amok-Tat an der HSHL verletzten Frau. Unsere Gedanken sind bei den Hinterbliebenen des Todesopfers und bei den Verletzen.“

Schweigeminute im Stadtrat

Eine Schweigeminute hielt der Stadtrat bei seiner Sitzung am 21. Juni 2022 ab. Die Politiker erhoben sich von ihren Plätzen und hielten einen Moment inne. Oberbürgermeister Marc Herter brachte Trauer und Entsetzen und auch die Dankbarkeit an die Studenten zum Ausdruck, die durch ihr Eingreifen noch Schlimmeres verhindert hatten.

Gedenkfeiern

Anteilnahme der HammWiki
Hochschulpräsidentin Prof. Dr. Kira Kastell und Ministerpräsident Hendrik Wüst

Bei einer kleinen Gedenkveranstaltung an der HSHL am 13. Juni nahmen unter anderem Hochschulpräsidentin Prof. Dr. Kira Kastell, Polizeipräsident Thomas Kubera, Oberbürgerbürgermeister Marc Herter (SPD) sowie Ministerpräsident Hendrik Wüst (CDU) teil.

Rund 100 Studenten, Lehrende und andere Hochschulangehörige kamen zum Campus, um sich auszutauschen und innezuhalten. Direkt vor dem Eingang des Gebäudes waren Blumen und Kerzen abgelegt – genauso wie am Zugang zum Hochschulgelände. Trauerflor ergänzte die Flaggen. Ein Kondolenzbuch wurde ausgelegt.

Ein ökumenischer Trauergottesdienst fand am 15. Juni um 18:00 Uhr in der Pauluskirche statt.[3] Pfarrerin Astrid Taudien leitete den Gottesdienst, Oberbürgermeister Marc Herter sprach die Fürbitten.[10]

Aussetzung der Vorlesungen in Hamm und Lippstadt

Am 13. Juni wurde durch das Präsidium der HSHL entschieden, den regulären Lehrbetrieb bis zum Beginn des Prüfungszeitraums am 27. Juni an beiden Campus in Hamm und Lippstadt auszusetzen. Jedoch waren beide Campus nicht geschlossen, sondern unter Anwesenheit des Präsidiums, der Lehrenden und von Notfallseelsorgenden für individuelle Gesprächsangebote geöffnet. Die Prüfungsabsolventen sollen bei den Prüfungen ab dem 27. Juni einen Freiversuch erhalten.

Petition der Studenten

Seit dem 14. Juni sammelten Studenten Unterschriften für eine Petition, der zufolge die Prüfungen aufgrund des Amoklaufs online stattfinden sollten. Zum 18. Juni hatte sie 395 Unterstützer. Die Hochschulpräsidentin lehnte das Ansinnen im Gespräch mit dem WA auch mit dem Argument ab, dass die Abschlussprüfungen (wie immer) in der Westpress-Arena stattfinden würden. An dem Tatort, dem Hörsaal „Hamm 2“, müsse niemand vorbeilaufen. Für Augenzeugen des Amoklaufs könne es gleichwohl besondere Vereinbarungen geben.[11] Wenig später wurde bekannt, dass die Petition an das Hochschul-Präsidium nicht herangetragen wurde und auch nicht mehr im Internet zu finden war. [12]

Besuch des Innenministers

Knapp drei Monate nach der Tat kam am 15. September NRW-Innenminister Herbert Reul nach Hamm, um sich in der Hochschule mit Verletzten des Amoklaufs und jenen Studenten, die den Angreifer überwältigt hatten, zu treffen. Anschließend traf er im Polizeipräsidium auch die Einsatzkräfte jenes Tages. Reul lobte die Zivilcourage der Studenten, die eingeschritten waren, und äußerte Sorge darüber, dass scheinbar immer mehr psychisch Kranke gewalttätig würden.[13]

Konsequenzen

Der Angeklagte Markus R. neben seiner Verteidigerin

Juristische Aufarbeitung

Aufgrund der psychischen Verfassung des Beschuldigten strebte die Staatsanwaltschaft Dortmund keinen normalen Strafprozess an, sondern die unmittelbare und dauerhafte Unterbringung und Therapie des Beschuldigten in einer psychiatrischen Klinik. Im September 2022 beantragte sie deshalb beim Dortmunder Schwurgericht die Durchführung eines „Sicherungsverfahrens“, bei dessen Anwendung Straftäter ohne Strafverfahren langfristig in einer entsprechenden Klinik untergebracht werden können.[14]

Der Prozess gegen Markus R. begann am 8. Dezember 2022 vor dem Dortmunder Schwurgericht. Es sind zunächst acht Sitzungstermine angesetzt. Es wird keinen herkömmlichen Mordprozess geben, sondern das von der Staatsanwaltschaft beantragte Sicherungsverfahren mit dem Ziel der dauerhaften Unterbringung in einer forensisch-psychiatrischen Klinik.

R. räumte die Tat am 14. Dezember bei Gericht ein und äußerte sein Bedauern. Er bekräftigte, dass sein Motiv darin bestanden habe, dass er Rache an einem „Clan“ nehmen wollte, von dem er sich verfolgt gefühlt und der ihn abgehört und gefilmt haben soll. Dieser Clan soll nach seiner Auffassung auch in die psychiatrischen Klinik hineingewirkt habe, in der er sich kurz vor der Tat befand, weshalb er sich selbst entlassen habe. Auf die Nachfrage der Staatsanwältin, ob er noch heute an die Existenz dieses Clans glaubt, antwortete er: „Auf jeden Fall“.[15]

Presseberichte

Icon Pressebericht.svg
Zum Artikel gibt es eine Sonderseite mit Presseberichten.

Einzelnachweise